Vereinigung der Alt-Hietzinger
82. Ball am 28. Januar 2025

EIN UNANGEPASSTER
LEOPOLD ZOBEL
Maler
(* 29. September 1907 Wien, + 27. März 1942 KZ Flossenbürg)

Zwölf Kinder gebar Pauline Zobel während ihrer Ehe mit Georg Zobel, Kutscher und Maurer in der Förberei Winkler & Schindler in der Hietzinger Auhofstraße. Neben der Versorgung der vielköpfigen Familie trug sie noch durch ihre Arbeit als Bedienerin im Lainzer Krankenhaus zum wohl kargen Familieneinkommen bei. Ein bescheidenes Vorstadthaus in der Amalienstraße Nr. 3 war das Zuhause der Zobels. 

Das fünfte Kind Leopold besuchte die nahe Volksschule in der Amalienstraße 33 und in Ober St. Veit in der Hietzinger Hauptstraße. Anschließend übersiedelte er für drei Jahre an das Gymnasium im oberösterreichischen Ried im Innkreis. Warum es den Buben nach Oberösterreich verschlagen hat, bleibt ungeklärt, jedenfalls absolvierte er danach drei weitere Schuljahre am Hietzinger Gymnasium in der Fichtnergasse. 

Wegen mangelnder Erfolge verließ er die Schule aber wieder. Unter dem Einfluss der Mutter trat er 1927 in das Linzer Priesterseminar ein - offenbar hatte die Mutter Wurzeln in Oberösterreich -, doch auch diese Berufslaufbahn entsprach nicht seinem Naturell und er verließ das Seminar.

Eigentlich wollte Leopold Zobel immer nur malen, sich ausschließlich mit Kunst beschäftigen. Seine Begabung war schon sehr früh offenkundig geworden, schon in der Volksschule sollen seine Zeichnungen Aufsehen erregt und sein Talent bescheinigt haben. Die weißen Flächen seiner Bücher pflegte er mit Zeichnungen zu füllen. Sein Volksschullehrer wollte seine Zukunft im Extremen sehen: "Aus dem Buben wird etwas ganz Großes oder gar nichts."

Ein Studium an der Akademie der bildenden Knste war für den abgesprungenen Priesterseminaristen und das Armeleutekind ein ferner, unerreichbarer Traum. So malte Leopold Zobel - gegen den ausdrücklichen Wunsch seines Vaters, der die Malerei für eine brotlose Spintisiererei hielt -, nach seinem Gutdünken, wie er meinte, dass man es machen könnte oder müsste. Er verwendete Öl- und Aquarellfarben, oft zeichnete er mit billigen Bleistiften. Leinwand oder kostbare Zeichenpapiere konnte er sich nicht leisten. Er benutzte Holzbretter, die er aus Ersparnisgründen auf beiden Seiten bemalte. Sein Umgang mit der Farbe ist sichtlich sparsam, da wird kein Tupfer vergeudet.

Seine Mutter tolerierte und förderte seinen Berufswunsch. Um ihm ein eigenständiges Leben, entfernt von väterlichen Vorwürfen, zu ermöglichen, überließ sie ihm ein kleines Pachtgrundstück an der Lainzer Tiergartenmauer beim heutigen Carolaweg. Eine kleine Schrebergartenhütte wurde aufgestellt, die Leopold Zobel in Hinkunft winters und sommers ein karges Zuhause wurde. 

In der Tat fristete er als Künstler sein Dasein mehr schlecht als recht. Seinen Lebensunterhalt bestritt er, indem er zwei Ziegen im Garten hielt, deren Milch er im Streckerpark an der Auhofstraße verkaufte. Um zu Geld für Papier und Farben zu kommen, porträtierte er in raschen Strichen Besucher in den Ober St. Veiter Gaststätten. Vielleicht hat sich noch in manchem Haushalt ein Porträt eines Familienangehörigen erhalten, dessen künstlerische Urheberschaft bisher im Dunklen lag und das eventuell Leopold Zobel zugeschrieben werden könnte. Um zu Bleistiften und Radiergummis zu kommen, zeichnete er sogar die Kinder vor den Schultoren. Besonders gerne hielt er sich bei der Ober St. Veiter Volksschule auf.

Neben der Kunst galt seine große Liebe sportlichen Betätigungen. Zwischen 1928 und 1938 gehörte er der Sportgruppe des christlichsozialen "Reichsbundes" an, wo man ihn sehr schätzte und ihm sogar eine Jugendgruppe anvertraute. Die Menschen mochten ihn, er galt als hilfsbereit und kontaktfreudig. Seine Sportlichkeit wurde schon durch seine spartanischen Lebensumstände garantiert. Er soll auch in seinem Garten eine Reckstange zum Training montiert haben.

Als er nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum Kriegsdienst einberufen wurde, meinte er, dieser Aufforderung nicht Folge leisten zu müssen. Als gläubiger Mensch mit pazifistischer Lebenshaltung wollte er vom Militär nichts wissen und beschloss, sich im Lainzer Tiergarten zu verstecken. Seine naiven Hoffnungen wurden jedoch rasch zerstört. Nachbarn verrieten den Einsiedler, er wurde verhaftet und am 29. März 1941 in das Arbeitserziehungslager für Asoziale in Ober-Lanzendorf bei Schwechat gebracht. Sein Fluchtversuch, aber auch Bemühungen seiner Mutter, ihn frei zu bekommen, blieben vergeblich. In der Folge wurde er in die KZs Mauthausen und dann Flossenbürg gebracht, wo er im März 1942 starb.

Aus den wenigen über Zobel bekannten Tatsachen ersteht ein geradliniger, von seiner Sache zutiefst überzeugter Mensch, ein asketischer, ja mönchischer Einsiedler, der nichts besaß. Die Bewohner Hietzings kannten ihn jahraus, jahrein nur in kurzen Hosen und Sandalen. Sein gesamtes Bargeld wird er wohl für Farben und Pinsel, für die essentiellen Dinge seines Lebens, verwendet haben. Es dürfte ihn nie gekümmert haben, was man so über ihn dachte. Er war sich seines Weges und Tuns völlig sicher. Von Zeitgenossen wird Leopold Zobel als angenehmer und guter Gesprächspartner beschrieben, ein sehr naturverbundener Mensch, der, wenn es sich um Dinge des Alltäglichen handelte, zum Spontanen neigte. 

Nur wenige Arbeiten des begabten Künstlers haben sich im Familienbesitz erhalten. Es sind drei hervorstechende Selbstporträts in Öl, wenige Landschaftsdarstellungen, ein außergewöhnliches Blumenbild, ein Aquarell der Karlskirche und eine genreartige Bleistiftzeichnung. Alles, was er spontan für den Tag zeichnete oder malte, auch die schnell skizzierten Porträts unbekannter Auftraggeber, müssen als verloren angesehen werden. Sicherlich ging vieles bei seiner Verhaftung zu Grunde. 

Zweifellos beeindruckend sind seine Selbstporträts, aus denen ein kritischer, offen wirkender Mensch dem Betrachter direkt in die Augen blickt. Hinter der Ernsthaftigkeit des Ausdrucks ist Intellekt und eine gewisse Heiterkeit zu ahnen. Er war sichtlich nicht mit seinem armseligen Leben in der Schrebergartenhütte unzufrieden, weder Melancholie, noch Unzufriedenheit, weder Resignation, noch Verzweiflung ist aus diesen Selbstporträts zu lesen. Eher ein Mann, der seinen Weg gewählt und sich damit beschieden hat. Es wäre müßig, aus den wenigen Werken eine Einordnung in irgendeine zeitgenössische Richtung versuchen zu wollen.

Was sagte sein Volksschullehrer? "Etwas ganz Großes kann aus ihm werden." Ein abschließendes Urteil wird nie zu fällen sein, zu tragisch sind die Begleitumstände, die in diesem Leben fast alles zunichte gemacht haben. 


Isabella Ackerl



Ich danke Herrn Mag. Gerhard Weissenbacher, der mir eine Broschüre über Leopold Zobel zur Verfügung stellte. Gemeinsam mit einigen seiner Schüler hat er den Lebensweg Zobels im Rahmen des Wahlpflichtfaches "Bildnerische Erziehung" mühevoll recherchiert.

Tassilo Antoine

Raoul Aslan

Fritz Bock

Franz David

Heinrich Demelius

Eduard Hartmann

Jakob Kastelic

Otfried Krzyzanowski

Georg Lippert

Herbert Mitscha-Märheim

Hermann Obermayer

Richard Übelhör

Oskar Weihs

Leopold Zobel

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