Sowohl nach der dritten als auch nach der vierten Klasse wurde für ihn ein Aufenthalt in einem Ferienhort finanziert. Infolge der Kriegsereignisse legte er schon im Oktober 1915 die Kriegsmatura ab, die er ebenfalls mit Auszeichnung bestand.
Jakob Kastelic war bereits am 11. August 1915 assentiert worden. Er hatte sich freiwillig vorläufig für drei Jahre Präsenz und sieben Jahre Reserve zum Militär gemeldet. Mit einem "Handgelde" von 6 Kronen wurde er zur Infanterie-Ersatzkompanie V einberufen. Im August 1916 erfolgte seine Transferierung vom Infanterieregiment Nr. 49 zum Infanterieregiment Nr. 64. Seine Beurteilung in der Qualifikationsliste, die neben der sehr guten Benotung und der Rangnummer 15 des Jahrgangs auch eine hervorragende Beschreibung seiner Persönlichkeit liefert, lautet: "Sehr strammer, umsichtiger Zugskmdt., gute Auffassung, energisch."
Mit 1. Juni 1916 war er zum Zugsführer befördert worden, im August des selben Jahres erhielt er wegen Tapferkeit vor dem Feind die Silberne Tapferkeitsmedaille 2.Kl., nachdem er im Juli 1916 am nördlichen Kriegsschauplatz durch Streifschuss verletzt worden war. Im Auszeichnungsantrag hierzu hieß es: "Tadellose Führung seines Zuges beim Gegenangriffe der Komp. im Gefecht west. Wysorok am 3. 7. 1916." Im Oktober 1916 erlitt er am südlichen Kriegsschauplatz links einen Lungendurchschuss. Mit 1. August 1917 wurde zum Leutnant in der Reserve befördert, im Jänner 1918 wurde ihm das Karl-Truppen-Kreuz verliehen. In einem anderen Belohnungsantrag wird von seinem "schneidigen, persönlichen Auftreten" berichtet.
Nach seiner Abrüstung inskribierte er an der Wiener juridischen Fakultät - seine ehemaligen Lehrer sollen ihm durch Unterstützungen das Studium ermöglicht haben - und wurde am 22. Dezember 1924 zum Doktor iuris promoviert. Seine berufliche Laufbahn ging nur sehr mühsam an. Er betätigte sich zunächst als Rechtskonsulent verschiedener katholischer Vereine, vor allem der katholischen Frauenbewegung. Aber eine wirklich gute Stellung war in den armen zwanziger und dreißiger Jahren nur sehr schwer und wenn, dann nur mit sehr guten Beziehungen zu bekommen.
1934 fand er endlich nach Jahren der Unsicherheit eine Anstellung beim Österreichischen Arbeitsdienst, an dessen Aufbau er tatkräftig mitwirkte. Ab 1935 gehörte der Arbeitsdienst schließlich zum Bundesministerium für soziale Verwaltung.
Nach seiner Entlassung durch die Nationalsozialisten am 13. Mai 1938 - der offizielle Grund war die Auflösung des Österreichischen Arbeitsdienstes - arbeitete er als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei des Anwalts Dr. Karl Schreiner in der Wiener Mariahilferstraße. Mit Ansuchen von 23. Mai 1938 versuchte Dr. Kastelic, weiter im Sozialministerium eine Beschäftigung zu finden, was mit Bescheid vom 8. Jänner 1940 endgültig abgelehnt wurde.
Schon 1937 hatte er eine Friseurstochter aus Hietzing geheiratet, 1938 wurde der ältere Sohn Norbert geboren, zwei Jahre später der zweite Sohn Gerhard.
Politisch hatte er sich schon früh in katholischen Jugendorganisationen engagiert, bei den Patres Kalasantinern war er in der christlichen Jugend tätig und widmete sich vor allem den Jungarbeitern. Als die Ostmärkischen Sturmscharen nach einer Idee von Kanzler Kurt Schuschnigg vom Tiroler Lehrer Hans Bator gegründet wurden, war er von Anfang an dabei. In den Jahren 1933/34 war er Wiener Landesführer, bis 1938 Leiter des Sozial- und Wirtschaftsverbandes dieser Organisation. Dabei war er für Wohlfahrtsaktionen für die Jugendlichen verantwortlich. Er arbeitete auch bei der christlichsozialen "Lueger-Jungfront" mit und beim Sportverein "Arminia". In Hietzing war er Obmann der "Christlich-deutschen Turner" und in der Pfarre Reinlgasse leitete er die Katholische Aktion. Diese Liste der freiwilligen Leistungen für die Gemeinschaft ist beeindruckend!
Seit 1924 war er Mitglied der Christlichsozialen Partei, er kandidierte für den Gemeinderat und 1930 anlässlich der letzten Nationalratswahlen der Ersten Republik für den Nationalrat.
Als sich das wahre Gesicht des Nationalsozialismus nach der Anfangseuphorie des Anschlusses ungeschminkt zeigte, wollte Kastelic das nicht so hinnehmen. Er suchte Kontakte zu Gleichgesinnten, aber auch zu ehemaligen politischen Gegnern - er akzeptierte alle Gruppierungen außer der KPÖ -, von denen er wusste, dass sie das Vorgehen der Nationalsozialisten nicht akzeptieren würden. Eine erste Zusammenkunft fand im November 1938 im Café Wunderer an der Hietzinger Brücke statt. Sukzessive baute er Widerstandszellen auf, wobei Monate für die Erprobung und theoretische Argumentation vergingen, doch alle waren überzeugt, dass die Nationalsozialisten eine Niederlage erleiden würden. Er nannte seine Gruppe "Großösterreichische Freiheitsbewegung". Fritz Molden, der Jakob Kastelic kannte, beschreibt ihn in seinem Buch über den österreichischen Widerstand so: "... mittelgroß, mit markantem Kopf, grau melierten Haaren und gütigen blauen Augen, war eine äußerst tatkräftige und zielbewusste Persönlichkeit." Beobachter bezeichneten ihn "als den bedeutendsten politischen Kopf des österreichischen Widerstandes der ersten Zeit ...". Die politischen Ziele seiner Gruppe lassen sich mit dem Gedanken einer Donauföderation unter Einschluss von Bayern beschreiben. Man wollte einen ständisch-demokratischen Staat, wenn möglich unter Beteiligung des Hauses Habsburg. Diese Gruppe sah eine Aufgabe der österreichischen Politik im südlichen Mitteleuropa und in Südosteuropa. Für den Fall einer erfolgreichen Machtübernahme war vorsorglich und relativ leichtfertig eine Kabinettsliste vorbereitet worden, auf der Dr. Kastelic als Justizminister vorgesehen war. Allerdings wird man manche von den Nationalsozialisten vorgebrachten Anschuldigungen relativieren und die Echtheit gewisser Unterlagen in Zweifel ziehen müssen. Zu Kastelic' Gruppe gehörten der sozialdemokratische Journalist Hans Schwendenwein, der parteilose Schriftsteller Karl Rössel-Majdan, der Schriftsteller Günther Loch, Rudolf Puchinger als Militärfachmann und Dr. Hans Blumenthal.
Im April 1940 gelang es, Verbindung mit der Österreichischen Freiheitsbewegung um Dr. Karl Lederer aufzunehmen, erste Besprechungen fanden in der Wohnung von Jakob Kastelic statt. Über Dr. Lederer erfolgte der Kontakt zur Gruppe um den Klosterneuburger Chorherrn Karl Roman Scholz. Auch zum Widerstandskreis der Wilheringer Patres in Oberösterreich wurden Kontakte geknüpft. Noch immer aber erschöpften sich alle Aktivitäten im Theoretisieren, im Argumentieren, was man tun könnte. Die anfänglich beeindruckenden militärischen Erfolge der Deutschen ließen Vorsicht angeraten sein. Umgekehrt war Kastelic so leichtgläubig, Mitgliedsbeiträge einzuheben und Mitgliedskarten auszugeben.
Die etwa 240 Mitglieder dieser drei Widerstandsgruppen gehörten fast alle dem konservativen Lager Ostösterreichs an. Sie kamen aus allen sozialen Schichten. 1940 begann man, sich mit militärischen Aufstandsplänen zu beschäftigen, allerdings waren diese Vorstellungen doch noch sehr unausgegoren. Einer der besten Kenner der österreichischen Widerstandsbewegung, Radomir Luža, schreibt über Jakob Kastelic: "Kastelic war, wenn schon keine faszinierende Persönlichkeit, so doch ein ehrgeiziger, tatkräftiger und freundlicher Mann, bei dem sich politischer Scharfsinn mit einem tief empfundenen, fast instinktiven Streben, seinem Land zu dienen, verband. Sein katholischer Glaube und sein feuriger Patriotismus konnten nicht ganz den pragmatischen Politiker verbergen, der von Macht und wie man sie ausübt viel verstand."
Im Sommer 1940 wurden diese Widerstandsgruppen infolge Verrats eines Agent provocateur, nämlich des Burgschauspielers Otto Hartmann, der über die Gruppe Scholz Eingang in den Kreis gefunden hatte, verhaftet. Jakob Kastelic wurde von der Gestapo am 23. Juli 1940 an seinem Urlaubsort in Schönberg am Kamp inhaftiert.
Nach der Gestapohaft wurde er im Dezember 1940 ins Landesgericht Wien eingeliefert, im Sommer 1941 ins Strafgefängnis nach Anrath gebracht, anschließend in die Strafanstalt Hamborn eingewiesen, im Jänner 1943 wieder nach Anrath überstellt. Im November 1943 sollten alle Häftlinge für den Prozess nach Wien gebracht werden. Infolge schlechter Verkehrsverbindung durch zerstörte Schienenwege und Schikanen dauerte diese Reise wochenlang. Diese jahrelange Odyssee durch verschiedene Gefängnisse hat Kastelic' Gesundheit schwer untergraben. Er hatte ab etwa 1942 schwere gesundheitliche Probleme infolge Unterernährung. Im Gefängnis betrieb er Sprach- und Rechtsstudien, um sich geistig fit zu halten. Seine tiefe Religiosität war ihm die wesentlichste Stütze, um die Strapazen dieser Jahre zu ertragen.
Bei einem Volksgerichtsprozess in Wien wurde Jakob Kastelic am 1. März 1944 wegen Hochverrats zum Tode verurteilt. In der Urteilsausfertigung hieß es, dass innerhalb der Gruppe sogar darüber beratschlagt wurde, wie man sich der Waffenverstecke, die seinerzeit von den Schutzbündlern angelegt worden waren, bemächtigen könnte. Zweifelsfrei steht fest, dass in der Gruppe Kastelic sehr viel theoretisiert, aber nicht eine einzige Tat gesetzt wurde. Für die NS-Richter und deren deformiertes Rechtsbewusstsein reichte dies für ein Todesurteil. Trotzdem wird man nachdrücklich darauf hinweisen müssen, dass es in dieser Gruppe nur sehr geringe Gewaltbereitschaft gab.
Fünf Wiederaufnahmeanträge wurden seitens des Gerichts verworfen. Auch das Gnadengesuch seiner Mutter wurde abgewiesen. Nach dem missglückten Attentat vom 20. Juli 1944 war seitens der NS-Machthaber keine Gnade zu erwarten. Am Tage vor seiner Hinrichtung erhielt er noch den Besuch seiner Schwester und seines jüngeren Sohnes Gerhard, die in Begleitung das Generals des Kalasantinerordens, Pater Johann Bruckner, zu ihm vorgelassen wurden. Sie durften ihn aber nur sehen, nicht sprechen. Am 2. August 1944 erfolgte in Wien die Hinrichtung durch das Fallbeil. Eduard Köck, Seelsorger im Wiener Landesgericht, schrieb über Dr. Kastelic: "Vorbildlich fromm, vollends ergeben in Gottes Willen starb [er] gefasst und gottergeben wie ein Heiliger."
Als Dr. Kastelic verhaftet wurde, erwartete sein Frau Maria gerade das zweite Kind. Sie selbst starb schon am 25. Jänner 1941. Kurz vor ihrem Tod hatte Dr. Kastelic seine Frau besuchen dürfen, auch vor dem Begräbnis erhielt er Gelegenheit, von ihr Abschied zu nehmen. Anfangs kümmerte sich seine Schwester Anna, die ihn etwa alle vier Wochen besuchen durfte, um die Kinder, auch die Großmütter versuchten das Leid der Kinder zu lindern. Schließlich wurde Anna Hanika, Braut eines Mitangeklagten von Jakob Kastelic, die sich der fast verwaisten Kinder angenommen hatte, zur Pflegemutter der beiden Söhne bestellt. Anna Hanika selbst war bis 1943 inhaftiert gewesen, auch ihr Bräutigam war hingerichtet worden. Sie hatte zuerst den jüngeren Sohn Gerhard zu sich genommen, nach dem Tod von Anna Kastelic im Sommer 1945 kümmerte sie sich um beide Buben. Sie sorgte vorbildlichst für diese beiden Kinder und wurde auch noch für die vier Enkelkinder eine geliebte Großmutter. Beide Söhne besuchten das Kollegium in Kalksburg und absolvierten ein Jusstudium.
Für die beiden Söhne hat nach dem Krieg der Strafverteidiger von Dr. Kastelic, Dr. Otto Hein, einen Wiedergutmachungsantrag geltend gemacht. Für die Zuerkennung der Waisenpension für die beiden Söhne war das seinerzeitige Ansuchen um Wiederindienststellung sehr wichtig, da alle anderen Teile des Personalaktes verloren gegangen waren. Die Waisenpension für die beiden Söhne war wegen der kurzen Dienstzeit von Dr. Kastelic nicht besonders hoch, aber immerhin wurden die Jahre bis zu seiner Hinrichtung voll angerechnet.
Die offizielle Nachricht über seinen Tod erhielten seine Angehörigen erst sechs Wochen später. Seinen Leichnam fand man nach Kriegsende 1945 in der Wiener Anatomie. Er wurde am 27. Oktober 1945 auf dem Penzinger Heimatfriedhof beigesetzt. Zur Erinnerung an Dr. Kastelic wurde eine Gedenktafel in Pfarrkirche in der Alserstraße angebracht und ein Wohnhaus im 14. Bezirk wurde nach ihm benannt. Auch im Kalasantinerkollegium in der Reinlgasse erinnert eine Gedenktafel an Jakob Kastelic.
Der Verräter Otto Hartmann wurde von Burgtheaterdirektor Lothar Müthel - so behauptet Botschafter Schöner in seinen Erinnerungen - als Denunziant aus dem Ensemble entfernt. Plausibel wird dies eher, wenn man in Erinnerung ruft, dass auch der Sohn des Dichters Anton Wildgans, Friedrich Wildgans, zur Gruppe Scholz gehört hatte und ebenfalls verhaftet worden war. Otto Hartmann wurde 1947 verhaftet und nach einem Gerichtsverfahren zu lebenslänglichem Kerker verurteilt. 1959 wurde er wegen schwerer Krankheit begnadigt.
Isabella Ackerl |