Vereinigung der Alt-Hietzinger
82. Ball am 28. Januar 2025

WISSENSCHAFTLER DES BAUERNTUMS
EDUARD HARTMANN
Agrarpolitiker   (* 3. September 1904 Laxenburg, + 14. Oktober 1966 Wien)

Als Eduard Hartmann in Laxenburg geboren wurde, bewirtschaftete sein Vater die vom Großvater erworbene landwirtschaftliche "Meierei und Kefir-Anstalt", die auch den kaiserlichen Hof in Laxenburg belieferte. Es war eine ländliche Idylle, in die der Bub hineingeboren wurde. Doch als der Vater drei Geschwister auszahlen musste und dadurch gezwungen war, den Betrieb 1912 zu verkaufen, begann für den schüchternen Eduard ein Schulleidensweg. Er vermisste die liebevolle Behandlung seiner Mutter Irma, geborene Haidekker, die aus dem ungarischen Komitat Székesfehérvár stammte. Er litt unter der Trennung von seinen Geschwistern. Der Vater, eher streng und auf Disziplin achtend, übernahm die Verwaltung der Wünschek-Dreherschen Güterdirektion. 
So kam der Bub zunächst nach Mödling in die Privatschule Mayr, um die Volksschule zu beenden. Anschließend wurde beschlossen, dass er das Stiftsgymnasium in Melk besuchen sollte. Das bedeutete, dass er als Internatszögling monatelang von Eltern und Geschwistern getrennt sein würde. Das sensible Kind reagierte mit sich verschlechternden Schulleistungen und Krankheiten. Während des zweiten Schuljahres nahmen ihn daher die Eltern aus dem Stiftsgymnasium und er besuchte ab 4. Jänner 1917 das Gymnasium in der Fichtnergasse. So konnte er wenigstens zum Wochenende bei seiner Familie leben. Unter der Woche wohnte er bei verschiedenen Familien. Zunächst war sein "Aufseher" der k. k. Professor Emil Neugebauer in der Auhofstraße 144, später Theodor Glaser, der in der Penzingerstraße 142 wohnte. Er scheint sich in diesen Familien recht wohl gefühlt zu haben, denn seine Noten wurden sichtlich besser. Die sechste Klasse schloss er sogar mit einem Vorzug ab. Allerdings war seine Familie 1920 nach Wien übersiedelt und wohnte in der Hietzinger Hauptstraße 125. 

Geradezu einen Schock in seinem Schulleben bedeutete der Tod seiner beiden älteren Schwestern, die im Abstand von drei Jahren jung starben. Seine Schwester Irma litt an der "Wiener Krankheit" Schwindsucht, seine Schwester Sophie starb an den Masern. Auch Eduard erkrankte in der achten Klasse schwer an Lungenspitzenkatarrh, im Schulkatalog, heißt es, dass er das erste Semester als Privatist absolviert hätte. Trotzdem schloss er die achte Klasse mit einem sehr guten Maturazeugnis ab. Zu seinen Jahrgangskollegen zählten der spätere Redakteur der "Arbeiter-Zeitung" Friedrich Scheu, der Sozialpolitiker Karl Kummer und der Sektionschef im Unterrichtsministerium und Kurator des Theresianums Ludwig Wohlgemuth. 

Noch als Gymnasiast trat Eduard Hartmann dem Christlich-Deutschen Studentenbund bei, einer von Karl Rudolf gegründeten reformkatholischen Mittelschülerorganisation, die unter dem Einfluss von Michael Pfliegler sich klar vom politischen Katholizismus distanzierte. So lehnte es auch Hartmann später an der Hochschule ab, dem CV beizutreten. Zwischen 1923 und 1927 studierte er an der Hochschule für Bodenkultur Landwirtschaft mit sehr gutem Erfolg. Seine Ferienmonate verbrachte er meist bei Anbau- und Erntearbeiten in Niederösterreich und im Burgenland.

Mit 1. August 1927 trat er eine Stellung bei der "Österreichischen Land- und Forstwirtschaftsgesellschaft" an, bei der sein Vater seit 1912 schon verschiedene Funktionen ausgeübt hatte. Diese Gesellschaft bestand seit 1807 und vertrat neben den in der Republik gegründeten Landwirtschaftskammern die Interessen der landwirtschaftlichen Produzenten. Als Mitarbeiter des Präsidialdirektors und als Sekretär der Sektion für Gutsbetriebe eignete sich Eduard Hartmann rasch die Fülle an Kenntnissen an, die für seine Persönlichkeit so bestimmend wurde. Er befasste sich mit agrarischer Pressearbeit, war Experte für Sozialversicherungsfragen und bäuerliches Steuerrecht und besorgte den größten Teil des Beratungsdienstes für Mitglieder der Gesellschaft. Außerdem hielt er immer wieder Fachvorträge und verfasste eine Reihe von einschlägigen Publikationen. Seine Klientel umfasste etwa 2.000 Bauern, Gärtner und Weinhauer. 1936 wurde er von der Gesellschaft zum Präsidialdirektor bestellt. 

Zweifellos kannte er alle führenden Agrarpolitiker dieser Zeit, sowohl Kanzler Dollfuß als auch den niederösterreichischen Bauernbundirektor Leopold Figl. Doch in den dreißiger Jahren hat er sich nie parteipolitisch exponiert. Er trat zwar 1929 dem Niederösterreichischen Heimatschutz bei, aber dies erfolgte möglicherweise bei einem kollektiven Beitritt des niederösterreichischen Bauernbundes.

Seit 1930 war Eduard Hartmann mit Helene Brenner verheiratet, das Ehepaar hatte zwei Töchter und einen Sohn. Eduard Hartmann verbrachte vor allem in den Jahren seiner aktiven Politikerlaufbahn sehr wenig Zeit mit seiner Familie, seine Wochenenden widmete er den Bauern und ihren Anliegen. Er war ständig unterwegs, hörte sich die Sorgen der Menschen an und versuchte zu helfen. Die Arbeit in der Familie, die Betreuung der Kinder lag völlig bei seiner Frau Helene. Es heißt, dass er abgesehen vom Urlaub höchstens drei oder vier Wochenende im Jahr mit der Familie verbrachte, einschließlich Weihnachten und Ostern. Die Kindern sahen ihn oft wochenlang nicht.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Jahre 1938 wurde die Land- und Forstwirtschaftsgesellschaft unter kommissarische Verwaltung gestellt. Die Funktionäre meinten, die Institution erhalten zu können, indem sie NSDAP-Mitglieder zum Obmann und dessen Stellvertretern wählten. Doch der Stillhaltekommissar für Vereine und Verbände hatte andere Absichten. Die Gesellschaft wurde aufgelöst, Hartmann war bis November 1938 in die Abwicklung involviert, wobei er doch für die Angestellten Abfertigungen retten konnte. Er selbst wurde zuerst probeweise in den Reichsnährstand übernommen, war dann angestellter Sachbearbeiter der Hauptabteilung des Reichsnährstandes in Linz, wo er sich vor allem mit Steuer-, Kredit- und Versicherungsfragen beschäftigte. Er war nie Mitglied der NSDAP und hatte sich auch nicht um eine solche Mitgliedschaft beworben. Es war eher bekannt, dass er "durch und durch schwarz" und "sehr gut mit dem ehemaligen Bundeskanzler Dr. Dollfuß befreundet" gewesen wäre. Doch seine Fachkenntnisse standen so außer Streit, dass niemand gegen ihn vorging. 1942 wurde er wieder nach Wien zur Landesbauernschaft Niederdonau versetzt. 

Nach Kriegsende 1945 übernahmen die ehemaligen Funktionäre des Bauernbundes Leopold Figl, Ferdinand Graf und auch Eduard Hartmann wieder die Gebäude des Bauernbundes. Hartmann wurde zum Kammeramtsdirektor-Stellvertreter in Niederösterreich bestellt, im Dezember 1946 trat er die Nachfolge Figls als Bauernbunddirektor an. Daneben schrieb er für die Wochenzeitung "Der österreichische Bauernbündler" und leitete den Österreichischen Agrarverlag. 1949 setzte ihn Landeshauptmann Steinböck gegen den Widerstand der Bauernvertreter auf die Landesliste der niederösterreichischen ÖVP. Mit unglaublichem Fleiß und persönlicher Entsagung betreute er seinen Wahlkreis, kümmerte sich um jede einzelne Intervention. Im Parlament schätzten die Abgeordneten seine enorme Detailkenntnis und seinen persönlich liebenswürdigen und noblen Stil. 

Bei der Entstehung des Milchwirtschaftsgesetzes, des Getreidewirtschaftsgesetzes, des Viehverkehrsgesetzes und des Marktordnungsgesetzes wirkte er maßgeblich mit, während seiner Ministerschaft wurde endlich nach Überwindung von Widerständen beim Koalitionspartner auch das Landwirtschaftsgesetz im Parlament beschlossen. 

Als ihn Raab 1959 in die Regierung holen wollte, sträubte sich der "ungeheuer selbstkritische" Hartmann lange und konnte nur durch Drängen von Freunden zur Übernahme des Amtes überredet werden. Tatsächlich hat er sich in den fast fünf Jahren seiner Ministerschaft so ausschließlich seinen Aufgaben gewidmet, dass er darin völlig aufging und enorm an Kräften verbrauchte. Höhepunkte seiner Laufbahn waren zweifellos die Entwicklung des "Grünen Berichts" und des "Grünen Plans", die sich aus dem Landwirtschaftsgesetz ergaben. 

Hartmann erkannte rasch, wie wichtig Verhandlungen mit der EWG im Interesse der österreichischen Bauernschaft waren. Immer wieder fuhr er nach Brüssel, um dort die Anliegen der Bauern zu vertreten. Ziel war doch ein Rahmenvertrag zwischen EWG und EFTA, um eine wirtschaftliche Vereinheitlichung in Europa zu erreichen und nicht den Kontinent in agrarische Blöcke aufzuspalten. Auch mussten Sonderregelungen für die Bergbauern und die agrarischen Überschüsse, vor allem im Bereich der Milchwirtschaft gefunden werden. Die vielzitierten "Milchseen" waren eben ein entscheidender Einkommensteil der bäuerlichen Klein- und Mittelbetriebe. Seit 1962 übte er auch die Funktion eines Generalanwalts des Raiffeisenverbandes aus und trat als solcher für eine engere Zusammenarbeit der europäischen Genossenschaftsbewegungen ein.

1964 verließ er die Regierung, als der ehemalige Finanzminister Josef Klaus im April die Kanzlerschaft übernahm. Obwohl Klaus ihn in seinem Kabinett haben wollte, lehnte Hartmann ab. Die Meinungsverschiedenheit mit Klaus ging auf das Jahr 1961 zurück, als Klaus in der Nachfolge von Reinhard Kamitz sein erstes Budget erstellt und relativ rigid von seinen Ministerkollegen die Einhaltung der Richtwerte gefordert hatte. Klaus berichtet offen in seinen Erinnerungen über diesen Zwist. Er konnte sich zwar in der Sache durchsetzen, allerdings gingen damals Freundschaften in Brüche. Er schreibt wörtlich: "So habe ich etwa mit Landwirtschaftsminister Dr. Hartmann seit damals nie mehr einen menschlichen herzlichen Kontakt gehabt .. ". 

Als Leopold Figl im Mai 1965 verstarb, beschloss der niederösterreichische Bauernbund einstimmig, Eduard Hartmann als Nachfolger zu nominieren. Nach langen Überlegungen versagte er sich nicht und übernahm auch die Funktion eines Landesparteiobmannes der ÖVP. Mit Juli 1965 wurde er auch zum Präsidenten des Aufsichtsrates der NEWAG bestellt. In der NEWAG prüfte seit April bereits der Rechnungshof, der bald feststellen musste, dass der bisherige Generaldirektor Viktor Müllner Gelder für parteipolitische Zwecke dem Unternehmen entzogen hatte. Für Eduard Hartmann war dieser Skandal ein Problem, das seine letzten Kräfte beanspruchte. Mit größter Mühe gelang es, Müllner zur Resignation zu veranlassen. Er wurde später vor Gericht gestellt und verurteilt. Für den redlichen und absolut pflichtgetreuen Eduard Hartmann jedoch war diese Belastung zu viel gewesen. Am 14. Oktober 1966 starb er überraschend an einem Herzinfarkt im Alter von nur 62 Jahren.

Die allgemeine Wertschätzung, die dem Politiker und Menschen Hartmann von Parteifreunden und politischen Gegnern zuteil wurde, hat in der Geschichte der Zweiten Republik kaum ihresgleichen. Kanzler Gorbach rühmte seinen "vornehmen, ritterlichen Charakter", sein Kabinetts- und Schulkollege Fritz Bock nannte ihn einen "Wissenschaftler des Bauerntums" und der sozialistische Außenminister Bruno Kreisky würdigte ihn als eine der "eindrucksvollsten und konziliantesten Persönlichkeiten der Zweiten Republik". 

Da er völlig in seinem Beruf als Standespolitiker aufging, blieb nur sehr wenig Zeit für Privates und die Pflege von Freundschaften. Zu seinen wichtigen persönlichen Beziehungen gehörte die Freundschaft mit Kardinal König, eine sehr enge und vertraute Arbeitsbeziehung verband ihn mit Therese Kraus, die die Pressearbeit im niederösterreichischen Bauernbund in seinem Sinne weiterführte. Zieht man seine unglaubliche und selbst auferlegte Belastung ins Kalkül, so dürfen die Althietzinger noch heute darauf stolz sein, dass er so manchen Ball besuchte und sich im Kreis seiner Schulkollegen wohl fühlte. 



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