100 Jahre "Private-Public-Partnership "
Auch in Österreich wird in den letzten Jahren immer mehr versucht, Maßnahmen, die früher ausschließlich dem Aufgabenbereich des Staates zugerechnet wurden, in Zusammenarbeit mit privaten Interessenten in Angriff zu nehmen. Denn einerseits wollen die Bürger stärker in Entscheidungen eingebunden sein, und zwar vor allem dann, wenn sie unmittelbar davon betroffen sind, andererseits sind aber auch viele Maßnahmen mit staatlichen Mitteln allein nicht mehr zu finanzieren.
Unser Gymnasium ist ein Beispiel dafür, daß solche - neuerdings unter dem modischen Kürzel "PPP"
(Public-Private-Partnership) propagierte - Zusammen arbeit so neu nicht ist: Schon Anfang der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts haben Hietzinger Bürger begonnen, mit dem zuständigen Ministerium für Cultus und Unterricht über die Errichtung eines Gymnasiums zu verhandeln. 1895 wurde dann ein "Verein zur Gründung eines Gymnasiums im XIII. Bezirke Wiens" ins Leben gerufen, und bereits im Schuljahr 1897/98 konnte
- allerdings noch in einem provisorischen Lokal in der Diesterweggasse - mit dem Unterricht begonnen werden. Der Bau einer neuen Schule in der Fichtnergasse war nur möglich, weil der Gründungsverein die Mittel dafür aufbrachte und insbesondere die erforderlichen Grundstücke kostenlos zur Verfügung stellen konnte.
Der Verein sah aber auch nach der Fertigstellung des neuen Gebäudes seine Aufgabe durchaus nicht als beendet an. Er wurde vielmehr 1901 in den "Verein der Freunde des Hietzinger Gymnasiums" umbenannt und widmete sich fortan dem Ziel, "alle ehemaligen Hietzinger Gymnasiasten zur Erfüllung caritativer, sozialer, kultureller und geselliger Aufgaben im Sinne des humanistischen Bildungszieles, sowie zur dauernden Förderung der Schüler des Hietzinger Gymnasiums" zusammenzufassen.
Daran hat sich bis heute nichts geändert: Auch die aus dem Verein der Freunde des Hietzinger Gymnasiums hervorgegangene "Vereinigung der
Alt-Hietzinger" ist diesem in den Statuten verankerten Ziel verpflichtet. Wenngleich die
Alt-Hietzinger ihre Wurzeln also vor allem im Gymnasium Fichtnergasse haben, steht die Mitgliedschaft inzwischen aber auch den Absolventen anderer Hietzinger Gymnasien, insbesondere jenen des GRG Wenzgasse, offen.
Die Alt-Hietzinger sind mit über 1.000 Mitgliedern eine der größten derartigen Vereinigungen Österreichs, und sie sind wohl auch eine der aktivsten. So unterstützt die Vereinigung aus Mitgliedsbeiträgen, Spenden und den Erträgen von Veranstaltungen laufend schulische Projekte, bietet den Maturanten Beratung für die Berufswahl an und gibt gemeinsam mit dem Elternverein die Jahresberichte heraus.
Weitere Schwerpunkte der Tätigkeit sind regelmäßige Veranstaltungen:
- Der Hietzinger Ball, der seit Jahrzehnten jeweils am letzten Dienstag im Jänner im Parkhotel Schönbrunn stattfindet, ist zu einem der traditionellen Höhepunkte des Wiener Faschings geworden;
- meist im Frühjahr wird ein Diskussionsabend zu aktuellen, in der Regel bildungspolitischen Themen veranstaltet;
- gleichfalls im Frühjahr organisieren wir alljährlich in Hochgurgl eine Schiwoche
- auch die gewöhnlich im Mai oder im Juni stattfindende Autobus-"Kulturfahrt" ist schon zu einer ständigen Institution geworden;
- einmal im Jahr bitten die Alt-Hietzinger die Lehrer der Hietzinger Gymnasien
zu einem gemütlichen "Professoren-Heurigen";
- am letzten September-Wochenende wird eine Auto-Rätselfahrt durchgeführt;
- großen Erfolg haben auch die Aufführungen unserer Theatergruppe, der "Fichtnerbühne", die gewöhnlich im Spätherbst stattfinden.
Alle diese Aktivitäten werden in engstem Einvernehmen mit den Direktoren und Lehrern der Hietzinger Gymnasien, sowie mit Vertretern des Elternvereines und
- last but not least -der Schüler durchgeführt.
Das 100 jährige Jubiläum unseres Gymnasiums sollte allerdings nicht nur Anlaß für Rückblick und Bestandsaufnahme sein. Denn die
Alt-Hietzinger wollen auch in Zukunft dazu beitragen, eine optimale Ausbildung unserer Kinder sicherzustellen. Wir sind überzeugt, daß junge Menschen heute mehr denn je eine solide Allgemeinbildung haben müssen. Das Wissen und die Fertigkeiten, die man im Berufsleben braucht, veralten sehr schnell; in der Mittelschule muß man deshalb vor allem lernen, wie man an neue, unbekannte Aufgaben herangeht, wie man mit Problemen fertig wird, von denen man gar nicht wußte, daß es sie gibt.
Adolf Loos hat einmal geschrieben, ein Architekt sei ein Tischler, der Latein gelernt hat. Auch für manche unseren älteren Mitglieder ist humanistische Bildung unabdingbar mit dem Unterricht in den "humanistischen" Fächern Latein und Griechisch verbunden, und sie beklagen, daß die alten Sprachen sukzessive aus den Lehrplänen verdrängt werden. Das humanistische Bildungsziel ist aber wohl umfassender zu interpretieren: Als Erziehung zu selbständigem Denken, zu Kreativität, zu Lebensfreude und zu sozialem Bewußtsein.
In diesem Sinn wünsche ich unserer ehrwürdigen Schule namens der Vereinigung der
Alt-Hietzinger viel Erfolg für die Zukunft. Wir sind stolz auf diese Schule und werden sie auch weiterhin nach besten Kräften unterstützen.
Dipl. -Ing. Herbert Purschke
(Geschäftsführender Vizepräsident)
(Aus der Festschrift "100 Jahre Gymnasium Fichtnergasse 1897-1997")
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