Vereinigung der Alt-Hietzinger   -    Bericht Prof. Derdak


"Immer dieser Prüfungen!"
Oder: Manchmal gibt es auch alternative Methoden der Leistungsfeststellung

Wird über Prüfungen geklagt, erkläre ich sie gelegentlich als bloße Abfallprodukte des Bildungsprozesses, der Persönlichkeitsentwicklung. Seriöserweise füge ich noch weitere Werte der Prüfungen hinzu: Sie dienen zur Selbsteinschätzung, zum Vergleich der eigenen Position mit der der MitschülerInnen, dem Lehrenden zur Einschätzung des Erfolgs der Unterrichtsarbeit - und als beamteten Gatekeepern ferner nicht zuletzt zur offiziellen Benotung mit den entsprechenden Berechtigungen, zum Aufstieg oder zum Studium.

Wir alle wissen, dass schulische Prüfungen eine - oft selbstgewählte - Mindestvorlaufzeit (mit diversen Wiederholungsmöglichkeiten) haben, ganz im Gegenteil zu den - Gott sei Dank nicht immer tragischen - Schicksalsprüfungen des so genannten realen Lebens. Nichtsdestotrotz gelten die Bemühungen der Pädagogik auch der Adaptation dieses oft ungeliebten, befremdenden Bereiches - bevor Selbstevaluation zumindest partiell Platz greift. So hat Frau Landesschulinspektorin HR Mag. Henrike KSCHWENT-MICHEL im September 1999 "Überlegungen zu neuen Formen der Leistungsfeststellung und Leistungsbeurteilung", zusammengestellt von einer Arbeitsgruppe beim Stadtschulrat für Wien, vorgelegt. Meine Tätigkeit im Schuljahr 1999/2000 als Dozent für allgemeine Didaktik am Pädagogischen Institut der Stadt Wien bot mir unter vielem anderen Gelegenheit, verschiedene einschlägige Aspekte zu reflektieren. Deshalb entschloss ich mich nach Absprache mit der Frau Direktorin sowie natürlich mit den SchülerInnen (der damaligen 6. B) im Juni 2000 beim für unsere Schule zuständigen Landesschulinspektor HR. Mag. Anton PLESSL, mit Zustimmung des Leiters der Abteilung AHS im SSRfW, HR. Dr. Karl BLÜML, für die von mir seit der 5. Schulstufe geführte Deutsch-Klasse, in der eine verlässliche Vertrauensbasis zwischen Lehrer (mein Motto: "Docendo discimus", also: "Lehrend lernen") und SchülerInnen besteht, einen solchen Schulversuch einzureichen. Die Aufgabe Lehrender wie Erziehender, im Laufe der Jahre sich entbehrlich zu machen, Lernende von der Fremd- zur Selbstbestimmung (inklusive Selbsterziehung mit Selbstkontrolle) zu geleiten, stand auf der einen Seite im Mittelpunkt der Überlegungen. Dass in einer sich immer schneller verändernden Welt Allgemeinbildung zur Stärkung einer selbtbewussten Persönlichkeit, der Selbstsicherheit und des Selbstwertgefühls instrumentalisiert werden soll, lässt sich schon an aktuellen Management-Büchern, die die "Aktie ICH" in den Mittelpunkt stellen, ablesen. Nicht zuletzt ist evident, dass damit ein wesentlicher Beitrag zur Drogenprävention geleistet wird.
Folgende Vorgangsweise sollte möglichst viele dieser Aspekte inkludieren: 
Anstelle einer der vier zweistündigen Schularbeiten in der 
7. B - Klasse, u. zw. anstelle der letzten, werden den SchülerInnen - im Einklang mit den Anforderungen des Lehrplans - folgende Aufgabenstellungen zur alternativen Wahl als Teil der Leistungsfeststellung angeboten: 
* Teilnahme am (mit 1. 3. 2001 befristeten) Lesewettbewerb der Weilheim-Bibliothek <www.gymnasium-weilheim.de>
oder 
* Erstellung eines Videoselbstporträts 
resp.
* Erstellung einer individuellen Internet-Homepage mit persönlichen Links etc.
Mit der Zustimmung durch den Herrn Landesschulinspektor wurde den SchülerInnen im Sinne der vorausschauenden Jahresplanung von mir eine Basisinformation (als erster Input für das vorgesehene begleitende Coaching durch mich) angeboten. 

Drei SchülerInnen (Viktoria HORVATH, Eszter KONDOR, Susanne OLT) wählten den Lesewettbewerb: Neun Bücher aus einem von den namhaftesten SchriftstellerInnen aus aller Welt speziell für die heutige Jugend zusammengestellten Literaturkanon waren zu lesen und die Lektüre in handschriftlichen Lesetagebüchern zu dokumentieren. Als Feedback mit Zuerkennung von Preisen samt Einladung zur Preisverleihung (am 25. und 26. 10. 2001 in Deutschland) liegt eine großartig anerkennende Beurteilung für diese drei Teilnehmenden bereits vor. Bravo! Bravissimo! 

Für jene SchülerInnen, die die übrigen Formen der Leistungsfeststellung gewählt haben und von denen mir bei Readktionsschluss (25. 4. 2001) erst einzelne Arbeiten vorliegen, habe ich für ein professionelles Feedback den Leiter der Filmschule Wien, Herrn Direktor Arno Aschauer, sowie eine an der Hochschule tätige Graphikerin (und Gestalterin der LISA- Homepage), Frau Cornelia Steinborn, zu gewinnen gesucht. 

Fazit: Alternative Leistungsfeststellungen und Leistungsbeurteilungen sind keineswegs einfacher oder anspruchsloser - jedoch zweifellos sehr spannende Herausforderungen für alle Beteiligten innerhalb eines vertrauensvollen Kontextes und - im Unterschied zum Standard - sicherlich jedes Mal neu zu strukturieren. Von besonderer Wichtigkeit für mich ist die Einübung der Selbstevaluation, speziell durch die Lernenden. Entsprechende Vorschläge von beiden Seiten sammle ich gerne zur Diskussion und Weitergabe an Interessierte. 
OStR. Prof. Dr. Franz DERDAK


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